Andreas Dibowski
Spitzensport & Ausbildung
Irenenhof
Hörpeler Weg 4a
21272 Döhle
 

06.10./Bericht von den WEG aus Kentucky


So hatte ich mir das natürlich nicht vorgestellt. Alles war perfekt vorbereitet: Das Pferd auf den Tag genau fit und hoch motiviert. In der Dressur zeigte Leon, abgesehen von einem kleinen Patzer in der Wackellektion Schritt, seine vielleicht beste Vorstellung bisher. 40 Pkt waren dann auch hoch verdient.

Im Gelände, das sowohl konditionell als auch von den Aufgaben höchst anspruchsvoll war, fing der Wallach super an, bis dann Sprung 7, das Coffin, kam. Ideal zurückgenommen, sehr gute Distanz, toll und easy hineingesprungen und dann……… Er zog mich förmlich aus dem Sattel als wolle er aus dem Graben saufen. Es kam so unvorbereitet, dass ich Mühe hatte im Sattel zu bleiben. Ich kann mir bis heute, auch nach intensiver Studie der Videoaufnahmen, nicht erklären, was das erfahrene Pferd dermaßen erschrocken hat. Ich hielt es einfach für einen Aussetzer und sah mich auch nicht genötigt, Leon dafür zu bestrafen. Also ritt ich den Graben auf der alternativen Route von der anderen Seite an. Dieses Mal wollte er schon gar nicht mehr hin. Verdammt! Jetzt bekam er aber doch mal einen auf den Po und siehe da: Es hat gefruchtet. Leon sprang beim 3. Versuch dann doch noch und ich konnte meine Reise fortsetzen. Es war kurzfristig schon etwas schwierig mit der nachfolgenden Konzentration aber glücklicherweise war der Weg zu 8 sehr lang. Egal, dachte ich mir, soll mal wieder nicht sein. Jetzt geht es nur noch um die Mannschaft, die darf nicht schon wieder platzen. Minimalziel war der 5. Platz als Qualifikation für London. Das war von den Trainern ausgerufen worden. Bis zum nächsten Sprung hatte ich mich auch wieder gesammelt, das Pferd sowieso. Leon absolvierte die restlichen 21 ! Aufgaben in der für mich so bekannten und souveränen Art, als wäre gar nichts geschehen. Er war frisch bis zum Schluß, sprang überragend und schien in keinster Weise verunsichert.

Mit 42 Sekunden Zeitüberschreitung kamen wir dann doch noch im Ziel an. Auf dem Video habe ich später 35 Sekunden für das Dilemma am Coffin gemessen. Es wäre ein leichtes gewesen, mit diesem überragenden Pferd auf diesem Kurs in die Zeit zu reiten.

Diese Selbstverständlichkeit, mit der Leon die Belastung eines solchen Geländes wegsteckt, machen ihm zu dem, was er nach wie vor für mich ist: Eines der besten Pferde, die ich je geritten bin. Coffin hin oder her. Leon war am Sonntag frisch und munter und beendete die WM mit einer ganz sicheren Nullrunde im Springen. Hätte wenn und aber. Silber hätte es mal wieder sein können und ich muß zugeben: Entgegen allem was ich in der Vergangenheit über meine 2. Plätze gesagt oder geschrieben habe, 2. zu sein fühlt sich doch viel viel besser an, als das, was ich hier wieder erleben musste ...


Meinung zum Aufbau des WM-Geländes


Im letzten Jahr habe ich mich recht kritisch zu dem Aufbau von Luhmühlen und Fontainbleau (Europameisterschaften) geäußert. Mir wurde u.a. vorgeworfen: "... der Dibo meckert ja eh immer dann, wenn es für ihn nicht so läuft!" An dieser Tradition möchte ich festhalten. Im Hinblick auf die bei "buschreiter.de" geäußerte Kritik und die anschließenden Meinungen der Experten ist es vielleicht mal interessant, den Aufbau von Kentucky von einem aktiven Reiter kommentiert zu wissen. Ich beobachte und analysiere jeden von mir gerittenen Kurs sachlich, kritisch aber ich denke auch immer konstruktiv. Im Falle von dem WM Kurs muß ich sagen, das sich meine Meinung, die ich vor dem Geländetag hatte, voll bestätigt hat.

Ein würdiger Championatskurs, der voll den Ansprüchen einer WM gerecht wird aber dabei auch nicht über das Ziel hinausgeschossen ist.

Konditionell durch die vielen Steigungen sehr anspruchsvoll. Die Pferde mussten weit und hoch springen. Die technischen Aufgaben verteilten sich gut über den Kurs. Die schmalen Elemente waren so gebaut, das die Pferde noch zwischen den Fahnen durchpassten und die Aufgaben waren übersichtlich gestellt. Es war nicht nötig, die Pferde scharf hinter den Sprüngen zu wenden und nach langen Galoppstrecken waren die nächsten Aufgaben oft nach einer Wendung, so dass man genug Zeit hatte, die Pferde wieder vorzubereiten. Es gab auch Sprünge, über die wir uns den Kopf zerbrochen haben. Auch diese wurden bei gutem Reiten auch gut und sicher gemeistert. Alles in allem, auch der ca 80 cm breite Graben des Coffins, war die Strecke fair und machbar und damit hat der Aufbauer seine Arbeit gut gemacht.

Natürlich kann immer etwas verbessert werden. Es war mir aufgefallen, das viele Pferde, auch die, die nicht gestüzt sind, oft mal ein Bein haben stehen lassen, was doch zu einem echten "Thrill" für den Zuschauer wurde. Ich denke jeder Aufbauer hat so ein wenig seine Ideen, die er umsetzt. Manchmal wird diese Umsetzung innerhalb eines Kurses eben zu oft abgefragt, was zu einem Konzentrationsverlust seitens der Reiter, aber auch der Pferde führen kann. Im Falle von Kentucky waren es meiner Meinung nach die vielen schrägen Sprünge, die den Pferden zu schaffen machten. Sie waren nie unfair oder gar unreitbar. Vielleicht einfach der ein oder andere zu oft schräg. Gutes und akorates Reiten in höchster Präzesion waren hier nötig, um sicher ins Ziel zu kommen. Das sollten natürlich Reiter einer WM können - Sollten! Das das nicht immer so ist, weiß man. Für diese schwächeren Reiter gibt es die sogenannten Chickenways. Alternativen, die meist durch einen höheren Zeitaufwand leichter und sicherer überwunden werden können. Hier mussten wir vor Ort feststellen, das durch oft zu lange Wege die Bereitschaft eines schwächeren Reiters nicht sehr groß ist, diesen zu gehen. Alternativen sind gut und wichtig bei Championaten. Sie sollten aber nicht unbedingt mehr als 6 bis 8 Sekunden länger sein als der direkte Weg, damit sie auch genutzt werden. Ein Reiter aus Südafrika z.B. hat von Anfang an alle nur erdenklichen längeren Wege genommen. Es ist dann kein Wunder, das so ein Pferd am Ende müde wird, wenn es 13 oder 14 Minuten unterwegs ist. Dem Pferd ist damit nicht wirklich geholfen. Zweimal: Am zweiten Wasser und an der letzten Heckenkombination, waren gute, nur wenig Zeitkostende Alternativen angeboten. Diese wurden oft, auch von Topreitern genutzt in der Kalkulation, das man es sich von der Zeit her auch leisten konnte. So sollte es sein. Fazit: Der Aufbau von Kentucky war eines Championats würdig. Schwer aber Fair. Wir waren ja auch immerhin auf einer WM und nicht auf einem Ponyhof unterwegs. Da darf, da muss man so etwas erwarten. Das haben wir und darauf haben wir uns auch vorbereitet. Das dann 80 cm einen scheitern lassen, lag jedenfalls nicht am Aufbau

Dibo